Carl Wilhelm Wippermann
Geb. 1. 12. 1800 in Rinteln, gest. 23. 3. 1857 in Rinteln
Politiker, Jurist und Historiker
Eltern:
Johann Georg Liborius Wippermann geb. Rinteln 24.6.1773, gest. in Rinteln 23.2. 1847
29. Dez. 1799 mit Dorthea Elisabeth Stamm aus Rinteln, Tochter des Zollverwalters und Rentmeisters Stamm in Rinteln
1: Ehefrau:
2. 10. 1828 in Rinteln mit Auguste Sophie Rebecca Caroline v. Westphal, Tochter des Obristen Carl Wilhelm Sittig von Westphal, geb. 4. Jan. 1806
2. Ehefrau:
Pauline Caroline Friederike Luise Ernestine Auguste Asbrand aus Kehl
Kinder:
Vier Jungen, drei Mädchen, darunter
Carl Wippermann, geb. Rinteln 14. 3. 1831, Jurist, Publizist, gest. 24.2.1911 in Berlin-Lichterfelde
Die Deutsche Revolution von 1848 brachte in allen großen und mittleren deutschen Staaten erhebliche, längst überfällig gewordene Umwälzungen mit sich. Presse- und Versammlungsfreiheit, Gewerbefreiheit, freies, gleiches und geheimes Wahlrecht, Parlamentarismus sind dabei nur Marksteine einer alle gesellschaftlichen Bereiche umfassenden Aufbruchstimmung, wie sie Deutschland nachher wohl nur in der DDR 1989 wieder erlebt hat.
Besonders tief war der Wandel im vergleichsweise kleinen Hessen, das rückblickend mit einiger Berechtigung als ein Musterland sowohl obrigkeitlicher Willkür, als auch bürgerlicher Opposition in dieser Zeit bezeichnet werden kann. Nirgendwo in Deutschland war angesichts nicht enden wollender Skandale und Fehlentscheidungen die Krise der Monarchie so deutlich zu Tage getreten wie hier, in wenigen Ländern war ihr Rückhalt in der Bevölkerung so gering geworden und nirgends erfolgte später die anschließende Reaktion so rücksichtslos gegen ein im Widerstand geeintes Volk.
In besonderem Maße hatte Rinteln Anteil an den hessischen Verfassungskämpfen zwischen 1830 und 1862, denn von Kassel abgesehen, war keine andere hessische Stadt Wirkungsstätte so vieler bedeutender Politiker und Publizisten jener Tage. Friedrich Oetker, Albrecht von Bardeleben, Albrecht Osterwald und Carl Wilhelm Wippermann sind bis heute feste Größen in der Landesgeschichte. Besonders letzterer, ein lange Zeit beinahe völlig vergessener Sohn Rintelns, hat sich wie kaum ein anderer für eine demokratische und rechtsstaatliche Zukunft eingesetzt.
Geboren am 1.12. 1800 als Sohn eines Juraprofessors an der Academia Ernestina besuchte Carl Wilhelm Wippermann ab 1817 das neugegründete Gymnasium seiner Heimatstadt und kam bereits hier im Rahmen der jungen, damals hoch politischen Turnbewegung mit den sein späteres Leben prägenden liberalen Gedanken in Kontakt. Auf dem großen Turnfest 1818 in Todenmann, dem ersten und zugleich letzten vor dem Verbot durch die kurfürstliche Regierung hielt er seine erste, viel beachtete, öffentliche Rede. Nach dem Jura-Studium in Marburg folgte die Tätigkeit als Referendar, später als Anwalt beim Rintelner Obergericht, 1826 wurde er Stadtsekretär der Weserstadt und löste 1831 Moritz Briede als Bürgermeister ab.
Mit der Verabschiedung einer hessischen Verfassung als Folge der Turbulenzen in den Monaten nach den Kasseler Unruhen vom September 1830 begann die politische Karriere Wippermanns. 1832 als Deputierter der Landgemeinden des Weserbezirks in die Ständeversammlung gewählt, trat er hier von Anfang an als entschiedener Befürworter und Verteidiger des neuen Verfassungsgesetzes ein und wurde bald zum Wortführer des liberalen Flügels und Hauptgegenspieler des berüchtigt reaktionären Innenministers Ludwig Friedrich Hassenpflug. Er übersiedelte nach Kassel, wo man ihn 1835 überraschenderweise zum zweiten Bürgermeister der Residenz wählte. Diese Wahl wurde von der Regierung anulliert. Die sofort anschließende Wahl Wippermanns zum Stadtsekretär focht die Regierung juristisch an, allerdings letztlich ohne Erfolg. Die Stadtväter Kassels dagegen ehrten den obrigkeitlich gegängelten und außerordentlich beliebten Wippermann 1836 demonstrativ mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde.
Als gewähltes Mitglied der hessischen Ständeversammlung zeigte Wippermann, dem selbst erbitterte Gegner "ein wahres Redetalent" bescheinigten, besonderes Engagement bei der Ausarbeitung der wichtigen Städte- und Gemeindeordnung von 1834, die die neue Selbstverwaltung der Kommunen regelte. Die bemerkenswert freiheitliche Abfassung dieses Gesetzes, das das rechtliche, soziale und kulturelle Leben der Landgemeinden wesentlich beleben sollte und für die Gesetzgebung in anderen Staaten Vorbildcharakter hatte, ging ganz wesentlich auf sein Betreiben zurück. Gleichzeitig, agierte er gegen die Versuche des Finanzministers das kurfürstliche Hausvermögen zu Lasten der Landeskasse zu vergrößern.
Im Rechtsausschuss kämpfte Wippermann für die Hinzuziehung des Vermögens der ausgestorbenen Linie Hessen-Rotenburg zum Landesvermögen, im Eisenbahnausschuss trat er entschieden für eine aktive Verkehrspolitik ein. Zugleich trat er gegen die offensichtliche Korruption des Kurfürsten bei der Aufnahme von Eisenbahnkrediten auf. Wenig erstaunlich war daher, dass die Wahl Wippermanns zum Kasseler Oberbürgermeister 1842 ebenfalls nach massiven Interventionen des Kurfürsten annulliert wurde.
Die aktive und einflussreiche Rolle Wippermanns in Kassel wäre undenkbar gewesen, hätte er nicht über einen stabilen politischen Rückhalt in Rinteln verfügt und insbesondere die Exklave Schaumburg galt als das eigentliche Hinterland der politischen Opposition in Kassel. Mitstreiter, wie die Rintelner Müller, Knipping, Hagedorn und Werthmüller die gleichfalls mit ihm in der Ständeversammlung einen liberalen Kurs verfolgten, hielten dem vielfach angefeindeten Vorkämpfer den Rücken frei.
Auch über Hessen hinaus pflegte Wippermann Verbindungen. Er stand mit zahlreichen politischen Größen seiner Zeit in brieflichem Kontakt, gehörte dem Itzstein´schen Hallgartenkreis an und nahm verschiedenen deutschen Germanistenversammlungen teil.
Im März 1848 brachen schließlich die politischen Dämme. Mit dem Umschwung in ganz Europa, musste sich auch der hessische Kurfürst den Zeichen der Zeit beugen. Wippermann nahm als Gesandter der neuen kurhessischen Regierung in Frankfurt an den Beratungen des Vorparlaments teil und wurde in die provisorische Vertretung, den sogenannten "Fünfziger-Ausschuss" gewählt. Bei den ersten freien Wahlen zur neuen Nationalversammlung zog er in das Paulskirchenparlament ein. Auch hier war er keineswegs ein Hinterbänkler, sondern setzte er sich als Mitglied der „Casino-Fraktion" mit Nachdruck für die verfassungsmäßige Verankerung einer starken Bundesgewalt ein. Im 17er Ausschuss wirkte er maßgeblich an der Ausarbeitung der geplanten Reichsverfassung mit und die Wahl des hessischen Liberalen Hans von Gagern zum Präsidenten der Nationalversammlung erfolgte auf seinen Vorschlag.
Dass Wippermann nach wie vor in seiner hessischen Heimat über großen Einfluss verfügte, zeigt seine Berufung als Staatsrat in das Finanzministerium im August 1848. Bekannt für seine Verlässlichkeit und seine streng konstitutionelle Haltung übte er mäßigenden Einfluss aus und bemühte sich um die dauerhafte Befestigung des Erreichten. Dennoch gelang es ihm nicht, das Erstarken der Reaktion in Hessen aufzuhalten. Letztlich bedeutete, nach einem gescheiterten Staatsstreich, der Einmarsch preußischer und bayrischer Truppen das Ende der Revolution in Hessen.
Mit dem Scheitern der Revolutionsbewegung kam auch der politische Rückzug Carl Wilhelm Wippermanns. 1850, als Hassenpflug erneut an die Spitze der Regierung trat, wurde er entlassen und nach einem Zwischenspiel als Abgeordneter im Erfurter Unionsparlament zur Regierungskommission nach Rinteln versetzt. Hier wandte er sich vor dem Hintergrund eines immer eisigeren Klimas der Reaktion historischen Studien zu.
Sein zeitgeschichtliches Werk "Kurhessen seit dem Freiheitskriege" gehört nach wie vor zur regionalhistorischen Standardliteratur, ebenso die "Regesta Schaumburgiensia" und das "Urkundenbuch des Stiftes Obernkirchen".
Der Umzug nach Rinteln kam Wippermann nicht ungelegen, bereits 1846 hatte er sich in der Absicht später in seine Heimat zurückzukehren ein stattliches Haus an der Stelle des früheren Westphalenschen Adelshof in der Klosterstraße 27 bauen lassen. Doch seine Zeit in Rinteln sollte nicht von langer Dauer sein. Gezeichnet von einem schweren Gichtleiden, konnte er seit dem Herbst 1856 das Haus nicht mehr verlassen.
Nach 16-wöchiger Krankheit starb er schließlich am 23. März 1857.
Das Ende der strikten Reaktionszeit in Hessen im Jahr 1862, als die Versammlungs-verbote aufgehoben wurden und das politische Leben langsam wieder erwachte, erlebte er nicht mehr. Die Rintelner hatten die Leistungen Wippermanns und seiner Mitstreiter jedoch nicht vergessen. Den noch Lebenden unter ihnen verlieh der Magistrat noch im selben Jahr die Ehrenbürgerrechte.
Dennoch trat das Gedächtnis an die frühen Demokraten in der nun folgenden Wilhelminischen Kaiserzeit schnell in den Hintergrund. Keine Straße, keine Gedenktafel fand sie der Erwähnung wert in einer Stadt, die an Denkmälern und Ehrentafeln nie Mangel hatte.
Unterschwellig blieb die Erinnerung an die Vorkämpfer der politischen Gleichberechtigung aber doch lebendig. Am 100. Todestag Wippermanns, am 23. März 1957, legten Bürgermeister Riedinger und Stadtdirektor Schulz an seinem Grabmal auf dem Seetorfriedhof einen Kranz nieder, ebenso der Heimatbund und die lutherische Kirchengemeinde.
Im Jahr 2012 hat der Stadtrat mit der Herstellung des lange Zeit abseits am Friedhofsrand in Vergessenheit geratenen Grabsteins die Verdienste dieses frühen Demokraten wieder hervorgehoben. Er befindet sich heute gut sichtbar und mit einer Inschrift versehen an einer zentralen Stelle des Seetorfriedhofs. Alljährlich wird hier an seinem Todestag ein Kranz niedergelegt.
Quelle: Dr. Stefan Meyer