A A A

Schaumburger Zeitung vom 06.09.2013 - "Ehrenamt im Millionengeschäft"

ResizedImage300200 SZ 06 09 2013ResizedImage300200 SZ 06 09 2013 2ResizedImage300200 SZ 06 09 2013 3

96-Klubchef Martin Kind würdigt bei Stiftung für Rinteln auch seinen Verein


Rinteln. Einen Besseren hätte Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz für das Lob des Ehrenamtes gar nicht finden können: Martin Kind, der seit 17 Jahren mit einer kurzen Unterbrechung Hannover 96 als Klubchef vorsteht. Ehrenamtlich, wie er betont! Im Millionen-Business Fußball schon fast ein Anachronismus. Der Unternehmer, Inhaber und Geschäftsführer der Kind-Gruppe, hat Hannover 96 im Jahr 1977 – der Verein war damals spielerisch wie finanziell am Ende – aus dem Keller geholt und von der Regionalliga in die Bundesliga geführt. Kind, der mit Hörgeräten begonnen hat, ist heute weltweit tätig – auch auf anderen Geschäftsfeldern.

Kind ist, wie 96-Fans wissen, immer für eine Überraschung gut. Auch am Mittwochabend wurde er seiner Rolle gerecht und machte im historischen Rathaussaal der „Stiftung für Rinteln“ ein überraschendes Angebot: Die Stiftung könne über seine Vermittlung „VIP-Karten“ für Fußballspiele anbieten – gegen einen entsprechenden Stiftungs-Beitrag versteht sich. Wie das in der Praxis funktionieren soll? Das wollen Stiftungs-Vorstandsvorsitzender Buchholz und 96-Klubchef Kind noch erörtern.

Und Kind verblüffte seine Zuhörer mit weiteren bemerkenswerten Gedanken: Stichwort Integration. Weder Assimilierungsdruck noch die Entstehung von Parallelgesellschaften, so Kind, seien für unser Land positiv. Integration, wenn sie kompromisslos verstanden werde, überfordere ausländische Mitbürger. Das tägliche Miteinander in unserer Gesellschaft könnten nicht Politiker organisieren – sondern nur jeder einzelne Bürger. Wir werden uns da bewegen müssen auf ein Ziel, das eine Bürgergesellschaft sein sollte.

Und noch eine Empfehlung von Kind: Wer ehrenamtlich arbeite, möchte, wenn er schon kein Geld bekomme, wenigstens öffentlich anerkannt und gelobt werden. Auch die Politik sollte hier noch einmal über eine bessere Förderung des Ehrenamtes nachdenken.

Grundsätzlich schilderte Kind, sehe er eine große Bereitschaft unter Bürgern, sich ehrenamtlich zu engagieren. Das tue heute schon jeder Dritte und das Potenzial sei enorm. Organisationen wie Feuerwehr, DRK, DLRG, Technisches Hilfswerk und viele andere könnten ohne Ehrenamt nicht existieren. Ganz zu schweigen vom Breitensport. Das sei im Grunde eine einzige große ehrenamtliche Veranstaltung.

Wie das in der Praxis aussieht, schilderte Tim Kaufmann mit viel Enthusiasmus. Kaufmann hat mit Unterstützung der Stiftung Rinteln ein soziales Jahre beim SC Rinteln absolviert, dort die D-Jugend trainiert, den Rasen gemäht und in der Grundschule Sportunterricht gegeben. Kaufmann verriet, nach dem Abitur habe er nicht gewusst, was er studieren sollte. Nach diesem Jahr wisse er zumindest, was er auf keinen Fall will: ins Lehramt. Überrascht habe ihn die Begeisterung der Kinder und Jugend für sein Engagement. Das allein sei schon das Jahr wert gewesen.

Zweites „Vorzeigeprojekt“ der Stiftung Rinteln ist Tatevik Oganissian vom Gymnasium Ernestinum, die mit dem Adele-Song „Someone like you“ demonstrierte, dass sie jeden Euro wert ist, der in ihre Gesangsausbildung investiert wird: Ein Song, so interpretiert, dass er Gänsehaut verursachte.

Um Geld ging es selbstverständlich auch, denn das war ja der Sinn des Empfangs. Buchholz schilderte das grundsätzliche Problem der Stiftung: Die Zinserträge seien, wie sich jeder vorstellen könne, auf so niedrigem Niveau, dass sich damit keine Projekte finanzieren ließen. Damit brauche die Stiftung also Spenden – Überweisungsträger lagen schon bereit.

Buchholz betonte, die Devise laute nicht „der Staat geht, die Stiftung kommt“, aber eine Stiftung könne Geld flexibler einsetzen, als es das öffentliche Haushaltsrecht ermöglichen würde: „Wir unterstützen Projekte, für die der Staat erst einmal eine Reihe von Richtlinien erlassen würde.“

Woher Geld für Spenden kommen könnte, dazu hatte Superintendent Andreas Kühne-Glaser noch ganz konkrete Ideen: Beim nächsten Geburtstag, bei der nächsten Jubiläumsfeier, könne man doch statt eines Geschenks um Spenden für die Stiftung bitten.

Am Ende moderierte Kühne-Glaser noch die Diskussion, die sich, wie nicht anders zu erwarten, nicht um das Ehrenamt, sondern um Hannover 96 drehte. Wie man weiß, sorgt Kind immer wieder bei Fans für erregte Debatten im Internet, denn er steht zwar zur Kultur der aktiven Fans in der Tradition des Vereins, streicht aber dieser Gruppe auch gnadenlos alle Privilegien, wenn Pyrotechnik in der Kurve gezündet wird, was verboten ist. Kind: „Die haben dafür null Verständnis.“