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300 Jahre Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe (1724-2024)

04.09.2024

Graf Wilhelm und sein Infanterieregiment auf Inspektionsreise in Rinteln

Vor 300 Jahren wurde der wohl herausragendste Landesherr Schaumburg-Lippes, Graf Wilhelm, in London geboren. Um seine Grafschaft erwarb sich Graf Wilhelm große Verdienste. Geprägt von der Aufklärung, betrieb er Reformen im Schulwesen, im Handwerk und der Landwirtschaft. Graf Wilhelm holte „Männer von Genie“ wie Thomas Abbt oder Johann Gottfried Herder nach Bückeburg und pflegte mit Philosophen wie Voltaire und Moses Mendelssohn einen regen Gedankenaustausch. Graf Wilhelm gilt europaweit als bedeutender Truppenführer und Militärtheoretiker, der in der Verteidigung die einzig angemessene und moralisch vertretbare Form der Kriegsführung sah.

Der 300. Geburtstag von Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe ist für die Schaumburger Landschaft Anlass, um in diesem Jahr an die vielseitige Persönlichkeit und die Verdienste dieses Landesherrn zu erinnern. Vom 30. August bis zum 1. September reiste der frühere Landesherr mit einer Abord-nung seines Infanterieregiments durch Schaumburg. Anders als bei früheren Inspektionen kehrte Graf Wilhelm allerdings nicht in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück, sondern traf bei seinem Einzug in den Städten und Dörfern Menschen des Jahres 2024 an. Am 31. August besuchte Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe die Stadt Rinteln, die im 18. Jahrhundert zur hessischen Grafschaft gehört hatte. Um so erstaunter war der Graf zu hören, wie intensiv die beiden früheren Lan-desteile mittlerweile zusammengewachsen sind.

Mit zwei Kutschen fuhr das Infanterieregiment um 10.30 Uhr über die Weserbrücke nach Rinteln ein. Zunächst begab sich Graf Wilhelm mit seiner Abordnung zum Prinzenhof, der heute Sitz des Vorstands der Sparkasse Schaumburg ist. Hier wurde er von dem Leiter der Geschäftsstelle Rinteln, Dirk Ackmann, in Empfang genommen und erkundigte sich nach dem Stand der Finanzen und des Handels in der Weserstadt. Dirk Ackmann berichtete u.a., dass die Sparkasse den Sparsinn der Bevölkerung weiterhin erfolgreich fördere und überreichte Graf Wilhelm eine Geldkarte, damit er sich mit dem modernen Geldwesen vertraut machen könne. Im Innern des Prinzenhofs, den Graf Wilhelm noch von seinen Besuchen beim früheren Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel kannte, wurde ihm u.a. eine „Gefängniszelle“ für „säumige Kunden“ gezeigt, die allerdings kaum genutzt werde, weil die Menschen in Schaumburg sehr ehrbar seien und stets ihre Verträge erfüllten. Graf Wilhelm wiederum zeigte sich beeindruckt von dem hervorragenden Zustand des Prinzenhofs, den die Sparkasse in den 1990er Jahren erworben und dann aufwendig restauriert hatte.

Im Anschluss daran begaben sich Graf Wilhelm und das Infanterieregiment zum Museum Eulenburg, wo sie von dem stellvertretenden Vorsitzenden des Heimatbunds Grafschaft Schaumburg, Otto von Blomberg, herzlich begrüßt wurden. Graf Wilhelm zeigte sich verwundert, dass Rinteln heute keine Garnisonsstadt mehr ist und Soldaten nicht mehr mit einem Handgeld gelockt und nach Amerika transportiert werden, wie es unter dem Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel der Fall gewesen war. Der frühere schaumburg-lippische Landesherr zeigte sich beeindruckt von der Institution des Museums, die er als „Wunderkammer“ bezeichnete und von der Sonderausstellung „Rätselhaftes Mittelalter“, durch die ihn Otto von Blomberg führte.

Nach einer Kutschfahrt durch die Rintelner Altstadt wurden Graf Wilhelm und seine Abordnung auf dem Marktplatz erwartet. Graf Wilhelm war beeindruckt, dass ihn mit der stellvertretenden Bürgermeisterin der Stadt Rinteln, Astrid Teigeler-Tegtmeier eine Frau als „Stadtobere“ empfing und ihm die aktuellen Entwicklungen in der Weserstadt schilderte. Anscheinend, so schlussfolgerte der Graf, fehle es der Stadt nicht an „offenbar energischem und kenntnisreichem Weibsvolk, das im öffentlichen Amte die Geschicke dieser Stadt verwahrt“. Insbesondere die gut restaurierte Altstadt fiel dem Grafen ins Auge. Astrid Teigeler-Tegtmeier wies in diesem Zusammenhang auf den Tag des offenen Denkmals am 8. September in Rinteln und Umgebung hin, den die Schaumburger Landschaft organisiert. Der Präsident der Schaumburger Landschaft, Karsten Becker, der ebenfalls zugegen war, nutzte die Gelegenheit, um Graf Wilhelm zu erläutern, welche wichtige Rolle die Kultur in Schaumburg auch und gerade für den gesellschaftlichen Zusammenhalt spielt. Für Graf Wilhelm hochinteressant war zudem die Begegnung mit dem „heutigen Landesherrn“, Landrat Jörg Farr. Jörg Farr berichtete über das Zusammenwachsen der beiden früheren Landesteile zum Landkreis Schaumburg, der durch seine „formidable Lage an den großen Verkehrsachsen“ und seine „guten Schulen“ durchaus bundesweit Gewicht habe. Zwar gehöre Schaumburg seit 1946 zum Land Niedersachsen, dies habe aber durchaus auch finanzielle Vorteile, da das Schaumburger Land „nicht mehr allein für alle Kosten und Widrigkeiten“ aufkommen müsse.

Graf Wilhelm zeigte sich beeindruckt von den Veränderungen der letzten 250 Jahre und erfreute sich an der Gastfreundlichkeit der Stadt Rinteln, die ihn und sein Gefolge am Ende dieses Inspektionstages zu einem Imbiss in die „Speisekammer Anno 1583“ einlud.

Die Schaumburger Landschaft führte die Veranstaltungen in Kooperation mit dem Landkreis Schaumburg und mit Unterstützung der Stadt Rinteln durch.