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Schaumburger Zeitung vom 20.01.2012 - "Eigentlich wollte ich nur bemerkt werden"

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Rinteln. Tatevik Oganissian (18), Schülerin am Ernestinum, kann malen, ja, so gut, dass die Begabtenförderung Hameln sie mit dem Angebot eines Förderkurses an der Hamelner Jugendkunstschule unterstützt. Und sie kann singen, so schön, dass die Stiftung Rinteln ihr einen regelmäßigen Gesangsunterricht an der Kreisjugendmusikschule Rinteln ermöglichte. „Ich wurde eigentlich immer gefördert und gefragt, ob ich zeigen will, was ich kann", sagt sie.
Es waren ihre Lehrer vom Gymnasium, die früh ein Auge auf das künstlerisch begabte Mädchen hielten. Tatevik, von den meisten „Tata" genannt, konnte diese Aufmerksamkeit gut gebrauchen. Noch gar nicht so lange her, im Jahr 2007, wäre sie als 14-Jährige beinahe, zusammen mit ihrer Mutter Antonia Li, aus Deutschland ausgewiesen worden, in ihre problematische Heimatregion Berg Karabakh, die sie zum letzten Mal als kleines Kind gesehen hatte. Ihr älterer Bruder Kin, damals Abiturient am Ernestinum, machte die Schulleitung auf die drohende Gefahr aufmerksam, und schließlich gelang es, die Abschiebung zu verhindern.


Umso mehr lag allen Beteiligten daran, Tatevik deutlich zu unterstützen, Solidarität zu bezeugen und ihr dabei zu helfen, die geradezu vorbildliche Integrationsbereitschaft ihrer Familie festigen zu können. Während ihr Bruder als hochbegabter Schüler Preise gewann und als junger Maler in mehreren Rintelner Ausstellungen präsent war, ihre Mutter eine Kulturinitiative gründete und unzählige kleinere und größere Veranstaltungen mit Deutschen und Ausländern organisierte, und der Vater unter anderem die Grundschule Rehren mit wunderschönen Gemälden schmückte, besuchte Tatevik die Ästhetikklasse, malte, lernte Gitarre zu spielen und fiel im Schulchor bald mit ihrer Stimme auf.


„Ja, ich fing irgendwann an, einfach viel lauter zu singen als die anderen", meint sie. „Eigentlich bin ich ja eher schüchtern, aber ich wollte doch bemerkt werden." Ihre Mitschüler ermunterten sie, aufzustehen und Lieder vorzutragen, bei Schulaufführungen wurde sie als Solistin rangeholt, und gerade trat sie beim Neujahrsempfang der Stadt Rinteln auf, mit Leonhard Cohens pathetischem Song „Hallelujah". Allen Zuhörern war klar, dass die Förderung durch die „Stiftung Rinteln", die musikalischen Einzelunterricht bis zum Ende von „Tatas" Schulzeit garantiert, eine lohnende Investition sein würde.
„Ich bin so glücklich über diesen Einzelunterricht", sagt sie. „Davor hatte ich schon einmal zehn Gesangsstunden bekommen, durch die Bürgerstiftung Schaumburg - es waren immer meine Lehrer, die die Anträge stellten - und da wurde mit erst klar, dass eine gute Stimme allein nicht genug ist, dass sie geschult werden muss. Die richtige Atemtechnik ist wichtig, damit man ein Lied wirklich inszenieren kann." Die wöchentlichen 45 Minuten mit der Gesangslehrerin gehen für sie wie im Flug vorbei. „O - ich würde gern noch viel mehr machen, aber die Schule fordert im Moment so viel Zeit von uns allen."


Elfte Klasse, ein Jahr vor dem Abitur, da stehen Unterricht und Lernen so im Vordergrund, dass für die Kunst fast nur noch Platz ist in den einmal im Monat stattfindenden Malkursen in Hameln und beim Singen in der Kreisjugendmusikschule. Trotzdem hat Tatevik Oganissian gerade mit Freunden eine Band gegründet, mit ihr als Sängerin natürlich. „Ich bin ja so gespannt, was daraus wird", sagt sie. „Wir spielen klassische Rockballaden, auch Reggae. Was mich betrifft, so finde ich es nicht gerade leicht, einen Song auszuwählen, der so gut und stimmig ist, dass ich es lange mit ihm aushalte."
Gerade ist sie zusammen mit vielen anderen Schülern des Ernestinums auf die Burg Ludwigstein gereist, wo jedes Jahr in schöner Tradition die Theater- und Musikveranstaltungen der Schule geprobt werden. Allen geht es dann so, dass sie in der Gruppe freier, lockerer, unbefangener werden, und ganz bestimmt lässt sich „Tata" dort auf Lieder ein, die nicht rundherum perfekt sind, aber einfach gesungen werden wollen. Vielleicht wird sie später Kunst und Musik studieren und selbst Unterricht geben. „Es hätte was, anderen den Weg ebnen zu können. Ich weiß ja, was das für einen Menschen bedeuten kann."

Schaumburger Zeitung 20.01.2011